Liebe Leserinnen und Leser,
mehr als zwei Jahre ist es inzwischen her, dass der Bochumer Rat offiziell den Klimanotstand ausgerufen hat, aber passiert ist seitdem viel zu wenig. Völlig zu Recht haben unserer Meinung nach eine Reihe von Bochumer Initiativen die Ratssitzung am 7. Oktober genutzt, um von der politischen Mehrheit und der Stadtverwaltung konkrete Schritte einzufordern. Das ist eines der Themen in diesem Newsletter. Außerdem geht es um den Widerstand gegen die mögliche Ansiedlung der Nato-Kommunikationszentrale NCIA, um steigende Gebühren für Straßenreinigung, Abfall- und Abwasserbeseitigung, sowie um weitere drohende Schwimmbad-Schließungen in unserer Stadt.
Die Themen im Einzelnen:
1. Für ein friedliches Bochum: Nato-Pläne durchkreuzen!
2. LINKE gegen Gebührenerhöhungen
3. Klimanotstand: Arroganter Koalitions-Auftritt gegenüber Bürger:innen
4. SPD und Grüne schieben 365-Euro-Ticket auf die lange Bank
5. Angst um Schwimmbäder: LINKE fordert Erhalt aller Standorte
6. Sozialausschuss diskutiert über Corona-Krise
7. Freiheit für Mahmut Günes: Mahnwache zum ersten Verhandlungstag
1. Für ein friedliches Bochum: Nato-Pläne durchkreuzen!
Das ist kein Zeichen für Demokratie und Transparenz: Erst durch Presseberichte ist öffentlich geworden, dass das Referat von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch seit Monaten im Geheimen mit der Wirtschaftsentwicklung und dem NRW-Wirtschaftsministerium über die Ansiedlung einer hochrangigen Militäreinrichtung in unserer Stadt spricht. Es geht um die Nato-Kommunikationszentrale NCIA („Nato Communications and Information Agency“). Dadurch droht Bochum zu einer zentralen Basis für die vernetzte Kriegsführung zu werden. Um die Diskussion in die Öffentlichkeit zu verlagern, hat unsere Fraktion auf dieser Ratssitzung umfassende Anfrage gestellt: Die von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch geführte Verwaltung ist jetzt verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten Antworten vorzulegen, mit welchen zusätzlichen Belastungen die mögliche Ansiedlung auf dem ehemaligen Opel-Gelände einhergehen würde. Unter anderem geht es um die Verkehrssituation und um zusätzliche Belastungen durch Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen. Weiter wollen wir wissen, welche Kosten der Stadt durch die Ansiedlung entstehen würden, und in welcher Höhe ihr jährlich Gewerbesteuern verloren gehen, wenn eine militärische Einrichtung anstelle von gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen auf die Fläche zieht. Und weil militärische Kommunikations- und Informationssysteme im Kriegsfall bevorzugte Ziele für Raketenangriffe und Bombardements sind, wollen wir von der Stadt wissen: Welche zusätzlichen Bedrohungen für die Bochumer Bevölkerung würden mit der Ansiedlung solcher Systeme einhergehen? Die Anfrage im Wortlaut.
Insgesamt bezeichnete unsere Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi das Verhalten der Bochumer Stadtführung als verstörend: „Oberbürgermeister Thomas Eiskirch ist Mitglied des Städtebündnisses ‚Mayors for Peace‘. Die Mitglieder haben sich verpflichtet, sich für Abrüstung einzusetzen – und nicht, einen neuen bis zu 2.000 Personen starken Militärstandort in ihrer Stadt zu schaffen.“ Scharf kritisierte sie auch die Haltung der Rathaus-Koalition. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat Sebastian Pewny hatte gegenüber dem Internetportal bo-alternativ.de erklärt, dass die Grünen sich „uneingeschränkt zum internationalen Sicherheitsbündnis Nato“ bekennen, und dass seine Fraktion daher die Ansiedlung von Nato-Einrichtungen in Bochum befürworte. Als Linksfraktion treten wir dagegen dafür ein, dass Bochum zusammen mit anderen Städten alle Aufrüstungspläne zurückweist. Denn mit dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato sollen sich die deutschen Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren verdoppeln. Das ist Geld, das wir dringend zur Wiederherstellung des Sozialstaates, für die Sanierung von Schwimmbädern, Schulsanierungen und für gebührenfreie Kitas brauchen. Auch deshalb fordern wir, neue Gewerbeflächen nur nichtmilitärischen Einrichtungen Verfügung zu stellen – und Betrieben, die keine Rüstungsgüter und Waffen herstellen. Parallel dazu sollte die Bochumer Wirtschaftsförderung Unternehmen beraten und unterstützen, die eine Rüstungskonversion beabsichtigen. Mehr Infos.
2. LINKE gegen Gebührenerhöhungen
Gegen die Stimmen der Linksfraktion hat die Rathaus-Koalition aus SPD und Grünen beschlossen, die Gebühren für die Straßenreinigung, die Abfall- und die Abwasserbeseitigung für das kommende Jahr erneut zu erhöhen. Dabei wird die Müllabfuhr bis zu 2,9 Prozent teurer, die Abwasser-Gebühren steigen um 2,5 Prozent. Die Straßenreinigungsgebühren steigen ebenfalls noch einmal um 1,8 Prozent, nachdem schon in den vergangenen zehn Jahren jeweils deutlich zugelangt wurde. In der Debatte begründete unser Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier, weshalb wir diese erneuten Steigerungen nicht mittragen können: „Diese Kosten werden auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt, die durch den Anstieg des Mietspiegels und vor allem durch die hohen Energiepreis-Steigerungen sowieso schon überlastet sind. Als Gesamtpaket sind die Erhöhungen für viele nicht tragbar, und sie verursachen zusätzliche soziale Probleme.“ Auf eine Diskussion über die sozialen Folgen der Bochumer Gebührenpolitik wollten sich die SPD und die Grünen aber nicht einlassen, sondern sie stimmten ohne Begründung im Rat einfach den Erhöhungs-Vorlagen der Verwaltung zu. Auf der Ratssitzung im Juni hatte die Koalition bereits gegen unsere Stimmen eine deutliche Erhöhung von Gebühren beim Standesamt und beim Stadtarchiv beschlossen.
3. Klimanotstand: Arroganter Koalitions-Auftritt gegenüber Bürger:innen
Ganz ausdrücklich unterstützt haben wir eine Bürgeranregung, die das Bochumer Klimaschutzbündnis, Fridays For Future, das Netzwerk „Stadt für Alle“ und weitere Initiativen in den Rat eingebracht haben. Hintergrund ist, dass der Bochumer Rat zwar im Juni 2019 unsere gemeinsame Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands in Bochum beschlossen hat. Wir hatten den Resolutionstext damals zusammen mit den Fraktionen von SPD und Grünen sowie der Sozialen Liste eingebracht. Leider mussten wir seitdem regelmäßig kritisieren, dass der Beschluss, bei allen Entscheidungen „die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit“ zu berücksichtigen, bisher kaum umgesetzt wird. Während wir uns für ein soziales Klimapaket für Bochum einsetzen, hat es die Verwaltung bisher leider noch nicht einmal geschafft, wie beschlossen bei allen Beschlussvorlagen neben den finanziellen Auswirkungen auch die jeweiligen Klimafolgen auszuweisen. In der Bürgeranregung haben die Initiativen jetzt unter anderem eine Klarstellung eingefordert, dass der Beschluss nicht nur rein symbolisch war, sondern zukünftig auch verbindlich umgesetzt wird. Nachdem die Bochumer Biologin Sofia Zeisig Tschijevski mit einer guten und sachlichen Rede die Anregung begründete, reagierte der grüne Fraktionsvorsitzende Sebastian Pewny überraschend arrogant und eindeutig ablehnend auf die Vorschläge. Dagegen sprach sich unser Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier in der Debatte ganz ausdrücklich für eine Zustimmung zur Anregung aus und bedankte sich bei den Aktiven für ihr Engagement. „Wenn die Stadt nicht handelt, dann sind solche Bürgeranregungen die logische Konsequenz“, erklärte Horst Hohmeier. Und er appellierte an die Ratsmitglieder der anderen Fraktionen: „Da kann man auch einfach mal zustimmen und sich als Stadt vornehmen, es in Zukunft besser zu machen.“ Dennoch stimmte die Ratsmehrheit gegen die Stimmen unserer Fraktion leider dem Vorschlag der Verwaltung zu, der Bürgeranregung nicht zu folgen.
4. SPD und Grüne schieben 365-Euro-Ticket auf die lange Bank
Auch im Bereich Nahverkehr weigert sich die Rathauskoalition weiter, Nägel mit Köpfen zu machen. Mit einem Änderungsantrag im Mobilitätsausschuss haben die SPD und die Grünen vorerst verhindert, dass im kommenden Haushalt Geld für die Einführung eines günstigen ÖPNV-Jahrestickets zu Kosten von einem Euro pro Tag eingeplant wird. Unsere Fraktion hatte beantragt, dass die Stadt Bochum die notwendigen finanziellen Mittel für eine einjährige Pilot-Phase des 365-Euro-Tickets zur Verfügung stellt. Unser Antrag im Wortlaut. Mit den Stimmen der Koalition wurde der Antrag nun so abgeändert, dass die Einführung lediglich geprüft wird – und dass eine Gegenfinanzierung des Landes notwendig sei. „Uns ist immerhin gelungen, das Thema auf die politische Tagesordnung zu bringen“, sagte unser Vertreter im Mobilitätsausschuss Wolfgang Möller. „Wir werden weiter Druck machen. Die Einführung eines Tickets, das sich mehr Menschen leisten können, ist dringend notwendig. Expertinnen und Experten befürchten, dass der Corona-bedingte Rückgang bei der Nutzung von Bus und Bahn sonst ein dauerhafter Trend wird. Das wäre ein empfindlicher Rückschlag für die soziale und ökologische Verkehrswende.“ Bereits im Jahr 2019 hatte der VRR eine Modellrechnung vorgelegt, wonach die Einführung eines 365-Euro-Tickets für Bochum 11,9 Millionen Euro jährlich kosten würde. „Das ist durchaus von der Stadt finanzierbar, wenn der politische Wille da ist“, sagte Wolfgang Möller. Das vorgeschlagene 365-Euro-Ticket für alle wäre neun Euro im Monat günstiger als das aktuelle Sozialticket-Angebot, das wir als völlig überteuert und im Rahmen des Hartz-IV-Bezugs als nicht finanzierbar kritisieren. Insgesamt setzen wir uns für eine stärkere Förderung und einen deutlichen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ein, sowie für den Umbau der gesamten ÖPNV-Finanzierung auf öffentliches Solidarmodell ohne Ticketpreise. Die Einführung eines günstigen Jahrestickets zum Preis von einem Euro pro Tag wäre ein wichtiger Zwischenschritt dahin. Weitere Zwischenschritte, die wir anstreben, sind ein kostenloses Sozialticket und ein kostenfreies Angebot für Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende. Mehr Infos.
5. Angst um Schwimmbäder: LINKE fordert Erhalt aller Standorte
In den Bochumer Stadtteilen herrscht große Verunsicherung: Plant die SPD-Grünen-Koalition, weitere Schwimmbäder in Bochum dauerhaft zu schließen? Nach jahrelangen Beteuerungen und Wahlversprechen, dass alle noch existierenden Schwimm-Standorte erhalten bleiben, ist jetzt, ein Jahr nach den Kommunalwahlen, plötzlich nichts mehr sicher: Jedenfalls hat die städtische Bädergesellschaft „Wasserwelten“ nun ein Bäderkonzept mit 13 möglichen Szenarien vorgelegt. Die allermeisten davon sehen Schwimmbad-Schließungen vor. Insgesamt strebt die Gesellschaft, an welche die städtischen Schwimmbäder gegen unsere Stimmen ausgelagert worden sind, eine weitere Reduzierung der Freibad-Wasserflächen an. Neben vielen weiteren Bädern ist besonders der Schwimmbad-Standort im Höntoper Südpark akut bedroht, für deren Erhalt wir uns seit Jahren einsetzen. Nachdem zunächst das Hallenbad und anschließend auch das Freibad wegen Schäden und Sanierungsstau geschlossen wurde, gab es immer wieder Versuche, das Bad vollständig abzuwickeln. Nach entsprechenden Protesten vieler Bürgerinnen und Bürger sowie auch unserer Fraktion konnte den Regierenden wiederholt die Zusage für einen Neubau abgerungen werden – was auch die aktuelle Beschlusslage des Rates ist. Wegen der neuen Bedrohungslage haben wir bereits zur Ratssitzung am 26. August einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, um die dauerhafte Abwicklung des Standortes zu verhindern. Damals verhinderte die Ratsmehrheit eine Behandlung unseres Antrags, indem sie die Dringlichkeit anzweifelte. Also stand das Thema auf dieser Sitzung erneut auf der Tagesordnung. Die dringend notwendige Debatte wurde allerdings erneut mit einem Geschäftsordnungs-Trick verhindert: Dieses Mal, indem „Beratungsbedarf“ angemeldet wurde. Somit kam es erneut nicht zu einer Abstimmung. Als Linksfraktion werden wir allerdings nicht locker lassen. Wir setzen uns weiterhin für einen Erhalt nicht nur des Schwimmbad-Standortes Höntrop, sondern aller Bochumer Bäder ein. Seit der Schließung des Nordbads am Rosenberg und des Stadtbads an der Massenbergstraße klaffen in der Bochumer Bäderlandschaft bereits schmerzhafte Lücken. Sollte die Rathaus-Koalition tatsächlich die Abwicklung Bochumer Schwimmbäder anstreben, wäre das nicht nur schlimm für die entsprechenden Stadtteile, sondern auch ein eklatanter Bruch von Wahlversprechen. Dieser weitere Abbau öffentlicher Infrastruktur muss unserer Meinung nach unbedingt verhindert werden!
6. Sozialausschuss diskutiert über Corona-Krise
Nur fünf Sitzungen des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales im gesamten Jahr – das war die ursprüngliche Planung der Stadtverwaltung. Und das, obwohl wir uns nach wie vor in einer Pandemie mit enormen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen befinden. Bereits im März hatten hatten wir daher beantragt, dass in diesem Jahr mindestens zwei zusätzliche Sitzungen stattfinden sollen. Zwar lehnte die Ausschuss-Mehrheit damals unseren den Antrag ab, einen Teilerfolg gab es trotzdem zu vermelden: So hatte sich die Ausschuss-Vorsitzende Ayse Balyemez nach unserem Vorstoß zumindest bereit erklärt, für diesen Oktober zu einer zusätzlichen Sitzung einzuladen. Die von uns initiierte Zusatzsitzung fand am vergangenen Freitag, den 8. Oktober statt. Wie von uns befürwortet, stellte Sozialdezernentin Britta Anger auf der Sitzung eine Übersicht der kommunalen Maßnahmen zur Überwindung der Corona-Krise zur Diskussion. Aus unserer Sicht fehlen zwar weiterhin viele soziale Maßnahmen, die wir seit Beginn der Pandemie fordern. (Mehr Infos hier und hier.) Gleichzeitig begrüßen wir, dass die Verwaltung immerhin die Gelegenheit genutzt hat, um zusätzliche Transparenz herzustellen. Auf der Sitzung mahnte unsere Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi allerdings an, dass der Katalog vor allem als Ausgangspunkt verstanden werden soll, um insbesondere besonders stark von der Krise betroffene Gruppen mit zusätzlichen Maßnahmen besser zu unterstützen. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.
7. Freiheit für Mahmut Günes: Mahnwache zum ersten Verhandlungstag
Gemeinsam mit vielen weiteren Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern haben wir für Montag, den 11. Oktober vor dem Bochumer Rathaus zu der Mahnwache „Freiheit für Mahmut Günes“ aufgerufen. Wir freuen uns, dass so viele dem Aufruf gefolgt sind und der Platz an dem Abend voll war. Der Anlass war allerdings ein erster: Denn für den heutigen Dienstag ist in der Türkei der erste Verhandlungstag gegen unseren Bochumer Mitbürger Mahmut Günes angesetzt. Er wird seit dem 31. Juli in der Türkei gefangen gehalten. Er wollte lediglich Familie und Freunde besuchen, doch bei der Einreise wurde er seiner Freiheit beraubt. Das Erdogan-Regime wirft ihm vor, regierungskritische Tweets von kurdischen Journalist:innen zum Einmarsch der Türkei in Nordsyrien und über Menschenrechtsverletzungen der türkischen Regierung geteilt zu haben. Wir verurteilen den willkürlichen Übergriff auf Mahmut Günes aufs Schärfste und fordern die sofortige Freilassung! Die willkürliche Verhaftung ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vollkommen unvereinbar. Auf der Mahnwache hat unter anderem unser Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier gesprochen. Fotos und weitere Infos.