Die Bundesregierung weigert sich bis heute, die Ermordung des iranischen Generals Kassem Soleimani am 3. Januar durch US-Drohnen auf Befehl von US-Präsident Donald Trump als illegal zu verurteilen – im Gegensatz zu den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages. In einer Antwort auf eine entsprechende Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen schreibt die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Antje Leendertse: «Eine umfassende völkerrechtliche Bewertung erfordert die detaillierte Analyse aller tatsächlichen Umstände des Falls. Diese liegen der Bundesregierung nicht vor.»
In einem von MdB Sevim Dagdelen in Auftrag gegebenen Gutachten wird das US-Vorgehen deutlich kritisiert: „Die Tötung des iranischen General Soleimani in Bagdad durch einen US-Drohneneinsatz stellt eine Verletzung des Gewaltverbots (Artikel 2 Ziffer 4 UN-Charta) gegenüber dem Iran und auch des Irak dar, die sich mangels Zustimmung des Iraks allein durch das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 UN-Charta rechtfertigen ließe.“ Und weiter: „Nach den Einlassungen der US-Administration ist nicht deutlich erkennbar, warum die Tötung Soleimanis im Irak unbedingt notwendig gewesen sein soll, um eine akute Gefahr für das Leben von US-Amerikanern ultima ratio abzuwehren.“
Der tödliche Drohnenangriff auf Soleimani erfüllt „offensichtlich nicht die Kriterien eines ‚finalen Rettungsschusses‘ und erscheint insoweit als Verstoß gegen das Recht auf Leben aus Artikel 6 UN-Zivilpakt.“
Darüber hinaus stellt das WD-Gutachten klar, dass zwar eine grundsätzliche Zustimmung der irakischen Regierung zur Präsenz US-amerikanischer Truppen im Irak vorlag, „nicht zuletzt, um die Kräfte des sog. ‘Islamischen Staats’ zu bekämpfen. Diese Zustimmung deckt aber ganz sicher nicht alle denkbaren militärischen Handlungen auf dem Territorium des Gaststaats ab – schon gar nicht die Tötung hochrangiger ausländischer Militärfunktionäre sowie eigener Staatsbürger.“ Aus dem menschenrechtlich verbürgten Recht auf Leben ergäben sich „im Falle einer Tötung durch staatliche Sicherheitskräfte nachträgliche Untersuchungs- und Aufklärungspflichten des verantwortlichen Staates“, betont das WD-Gutachten. „Insoweit mutet es seltsam an, dass die USA der Weltöffentlichkeit auch eine Woche nach dem Militärschlag keine Hinweise dazu präsentieren konnten, welche Anschläge Soleimani konkret geplant hatte, wie weit es um deren Realisierung stand und worin der Sicherheitsgewinn der USA nach der Tötung des Generals genau bestand.“
Da durch Trumps Mordanschlag kein bewaffneter Konflikt ausgelöst wurde, ist laut WD-Gutachten der iranische Raketenbeschuss von US-Stützpunkten im Irak am 8. Januar nicht vom Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 UN-Charta gedeckt. Der Iran habe sich auf keine unmittelbar bevorstehende Bedrohung durch die USA berufen, die durch den Raketenbeschuss abzuwehren wäre.
Die Ermordung Soleimanis verletzt ebenso wie der nachfolgende iranische Raketenbeschuss mangels Zustimmung des Irak offensichtlich die territoriale Integrität des Iraks (Artikel 2 Ziffer 4 UN-Charta).
Das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages ist eine herbe Klatsche für die Bundesregierung, die Trumps Mordbefehl nicht verurteilen will. Damit aber macht sie sich unglaubwürdig als Vermittler im Nahen Osten.