Liebe Leser:innen,
trotz Lockdown geht das politische Geschäft in Bochum weiter – und leider längst nicht immer so, wie wir uns das wünschen. In diesem Newsletter berichten wir von der Ratssitzung am 4. Februar. Natürlich steht die Corona-Krise weiter im Zentrum: Es geht darum, wer die Kosten der Krise bezahlen soll, um Etikettenschwindel bei städtischen Corona-Hilfen, kleine Fortschritte bei der Versorgung mit FFP2-Masken und große Probleme für Menschen, die während Corona aus ihrer Wohnung geworfen werden. Bei all dem dürfen aber auch andere Auseinandersetzungen nicht untergehen. Darum informieren wir auch über Wohnungspolitik, ein umstrittenes Bauprojekt, die überlastete Bochumer Verwaltung und Kritik an der Ausgrenzung von Bochumer Sozial- und Umweltverbänden.
Die Themen im Einzelnen:
1. Corona-Krise: Mehrheits-Parteien lehnen Resolution ab
2. Mogelpackung Rettungsschirm: Kein zusätzliches Geld für freie Szene
3. Mehrjährige Kulturförderung: Es bleibt bei Mini-Anpassung
4. Nicht für alle: Freikarten für Beschäftigte im Gesundheitsbereich
5. Es tut sich was: FFP2-Masken Menschen in schwierigen Lebenslagen
6. Trotz Corona: 134 Zwangsräumungen in Bochum
7. Allianz für Wohnen: Grenzt die Stadt Sozial- und Umweltverbände aus?
8. Verheerende Zahlen: So werden die Stadtwerke grün gerechnet
9. Bauprojekt „Am Ruhrort“: Offene Fragen und zusätzliche Gutachten
10. Nazi-Hooligans auf Bochumer Corona-Demo
11. Krankenstand, Mehrarbeit, Belastungsanzeigen bei der Stadt
12. Nachgehakt: Umgang der Stadt mit Streusalz
13. Neuwahl der Rats-Ausschüsse verschoben
14. Bochum fordert Atomwaffenverbot
1. Corona-Krise: Mehrheits-Parteien lehnen Resolution ab
Die Mehrheit im Bochumer Rat will den Druck auf die NRW-Landesregierung und den Bundestag nicht erhöhen, damit die Städte und Gemeinden in der Corona-Krise besser unterstützt werden. Auf der Ratssitzung lehnten die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP eine von uns vorgeschlagene Resolution ab. Wir finden es bedauerlich, dass die Politikerinnen und Politiker der anderen Fraktionen sich offensichtlich entschieden haben, lieber den Regierenden in Berlin und Düsseldorf den Rücken freizuhalten, statt mit uns ein überparteiliches Zeichen gegen das finanzielle Ausbluten der Städte zu setzen. Konkret hat die von uns vorgeschlagene Resolution gefordert, dass die Städte und Gemeinden zum Ausgleich der Corona-Verluste einen größeren Anteil der Umsatzsteuer zugewiesen bekommen. Außerdem soll das Land den geplanten Finanzausgleich als Zuschuss und nicht nur als Kredit vergeben. Die Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer sollen zumindest zur Hälfte vom Land NRW ausgeglichen werden. Ein weiterer Vorschlag in der Resolution war die Gründung einer NRW-Kasse zur Entschuldung der Kommunen. Als Linksfraktion werden wir uns weiter für diese Ziele einsetzen. Mehr Infos zur Resolution.
2. Mogelpackung Rettungsschirm: Kein zusätzliches Geld für freie Szene
Seit August hatten wir uns dafür eingesetzt, in der Januar-Sitzung des Kulturausschusses war es dann so weit: Der schon im Sommer völlig verausgabte Bochumer Rettungsschirm für die freie Kulturszene wurde endlich aufgestockt. Jedenfalls angeblich. Denn wie sich jetzt herausgestellt hat, wird der Beschluss von der Verwaltung höchst kreativ umgesetzt – und das offenbar mit Rückendeckung der SPD-Grünen-Koalition. Auf kritische Nachfrage unseres Fraktionsvorsitzenden Horst Hohmeier bestätigte die Verwaltung im Haupt- und Finanzausschuss: Trotz dieses Beschlusses will die Stadt den Kulturschaffenden überhaupt keine zusätzlichen Mittel zur Überwindung der Corona-Krise bereitstellen! Vielmehr werden die Kulturschirm-Unterstützungen aus der sowieso im Doppelhaushalt 2020/21 eingeplanten Projektförderung für die freie Szene bezahlt.
Das ist ein starkes Stück. Denn Einrichtungen wie das Schauspielhaus Bochum, die Bogestra oder auch das Trianel-Kohlekraftwerk Lünen erhalten zur Überwindung der Corona-Krise zusätzliche Mittel aus dem städtischen Haushalt. Zum Teil handelt es sich um hohe Millionenbeträge. Ausgerechnet bei der sowieso viel schlechter finanzierten freien Kultur soll das anders sein. Es ist unserer Meinung nach ein billiger Trick, einfach nur bereits vor der Krise eingeplante Gelder für die freie Kultur zu einem „Rettungsschirm“ umzudeklarieren. Mit einer Anfrage im Rat wollen wir die Affäre weiter aufklären. Unter anderem verlangen wir Erklärungen zu folgenden Fragen: Warum wurden die in 2020 wegen des Corona-Lockdowns nicht abgerufenen Mittel der Projektförderung für die freie Szene nicht auf das Jahr 2021 übertragen? Warum werden die vergleichsweise geringen Mittel des Bochumer Kulturschirms nicht wie andere Corona-bedingte Mehrbelastungen ebenfalls zusätzlich bereitgestellt – und ohne Belastung des aktuellen Haushalts nach den Richtlinien des Landes NRW und des NKF-COVID-19-Isolierungsgesetzes verbucht? Außerdem fordern wir zusätzliche Maßnahmen ein, um der freien Kulturszene tatsächlich eine zusätzliche Hilfe zur Überwindung der Corona-Krise zukommen zu lassen, statt nur bereits lange vor der Krise zugesagtes Geld auszuzahlen. Über die weiteren Entwicklungen werden wir informieren. Die Anfrage im Wortlaut.
3. Mehrjährige Kulturförderung: Es bleibt bei Mini-Anpassung
Mit den Stimmen der Linksfraktion hat der Rat beschlossen, den Trägern der freien Kultur auch im kommenden Jahr die bisher vorgesehenen Betriebskostenzuschüsse zu bezahlen. Abgelehnt wurde während der Beratungen jedoch leider ein Änderungsantrag unserer Fraktion: In anderen, auch aktuell schon besser ausfinanzierten Bereichen sind jährliche Anpassungen der Förderung um zwei Prozent üblich – der freien Kultur gestehen SPD, Grüne, CDU und Co. nur eine Erhöhung von einem Prozent zu. Das wollten wir ändern, zumal die Finanzierung sowieso ungerecht aufgestellt ist: Obwohl die freien Kulturträger für mehr als die Hälfte des kulturellen Angebots in unserer Stadt verantwortlich sind, beträgt ihr Anteil am städtischen Kulturhaushalt bisher weniger als vier Prozent. Als Linksfraktion setzen wir uns insgesamt dafür ein, die Förderung der freien Kultur auf zehn Prozent des gesamten Kulturetats zu erhöhen. Selbst einen kleinen Schritt in diese Richtung hat die Rathaus-Koalition jetzt mit ihrer Mehrheit verhindert.
4. Nicht für alle: Freikarten für Beschäftigte im Gesundheitsbereich
„Unterstützung der Beschäftigten im Gesundheitswesen“ – als wir den Titel dieses SPD-Grünen-Antrags zur Ratssitzung gelesen haben, hatten wir uns zunächst gefreut. Pflegenotstand, Arbeitsüberlastung, zu wenig Personal in den Krankenhäusern: Es ist wirklich höchste Zeit, dass die Rathaus-Koalition aktiv wird. Doch der Titel weckt falsche Erwartungen. Denn tatsächlich ging es nur um eine symbolische Anerkennung: 5.000 der 19.000 Beschäftigten in den Bochumer Krankenhäusern, Altenheime und Pflegedienste sollen jeweils zwei Freikarten für städtische Kultureinrichtungen erhalten. Dazu haben wir einen Änderungsantrag gestellt: „Wir halten es für ein falsches Signal, wenn die hart arbeitenden Kolleginnen und Kollegen nun auch noch in Konkurrenz um eine symbolische Anerkennung gesetzt werden„, erklärte unsere Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi. „Daher wollen wir mit unserem Änderungsantrag zumindest erreichen, dass die Zahl der zur Verfügung stehenden Eintrittskarten ausreichend groß ist.“ Unser Änderungsantrag im Wortlaut. Teil unseres Antrags war außerdem, dass neben den von der Stadt selbst betriebenen Kultureinrichtungen auch die Angebote der freien Szene einbezogen werden. So hätte sich die größere Anzahl an Tickets auf mehr Schultern verteilt, und gleichzeitig hätten die durch den Lockdown in Existenznot geratenen Träger der freien Kultur in Bochum verbindlich zugesicherte Einnahmen erhalten, die ihnen geholfen hätten, die Krise zu überstehen. Die Verträge mit den Trägern der freien Szene wollten wir dabei so ausgestalten, dass ihnen große Teile der Ticketkosten bereits sehr zeitnah als Anzahlung ausgezahlt werden können. Die Rede von Gültaze Aksevi im Wortlaut. Leider lehnte eine übergroße Koalition unter Führung von SPD, Grünen und CDU diese Verbesserungen ab. Es bleibt also bei einer symbolischen Anerkennung für gerade einmal ein Viertel der Menschen, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten. Wie genau entschieden wird, wer eine Freikarte erhält, ist bisher unklar. Die SPD und die Grünen trugen der Verwaltung auf, das mit „den Verwaltungen der Betriebe und ggf. ihren Betriebs- und Personalräten“ abzustimmen.
5. Es tut sich was: FFP2-Masken Menschen in schwierigen Lebenslagen
Aufgrund der Befürchtung, dass die vom Bund angekündigte einmalige Ausgabe von zehn FFP2-Masken an Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen längst nicht alle Betroffenen erreicht, haben wir zur Ratssitzung einen Antrag eingereicht: Wir wollten erreichen, dass die Stadt selbständig in größerer Anzahl Masken beschafft und unbürokratisch ausgibt. „Bereits die Verteilung von Masken an über 60-Jährige über die Apotheken lief nicht reibungslos“, hatte unsere Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi dazu erklärt. „Bei der Versendung der Gutscheine durch die Krankenkassen gab es viel Durcheinander und Verzögerungen. Ein zusätzliches Problem ist, dass Wohnungslose, Unversicherte sowie Menschen in sonstigen prekären Lebenssituationen durch dieses Modell nicht zufriedenstellend versorgt werden.“ Mehr Infos.
Unser Antrag, dass die Stadt FFP2-Masken auch in Eigenregie beschaffen und ein Konzept zur niederschwelligen Abgabe entwickeln soll, hatte reges Treiben in den anderen Fraktionen und in der Verwaltung zur Folge. Die CDU stellte einen Änderungsantrag, der unseren Wortlaut weitgehend übernahm, aber die Zielgruppe ausschließlich auf Wohnungslose beschränkte. Außerdem wollte die CDU streichen, dass der Rat die CDU-geführte Landesregierung auffordert, mittelfristig die Kosten zu übernehmen. Die rechte AfD ging noch einen Schritt weiter und beantragte sogar, dass Wohnungslose „aus Kostengründen“ nur die weniger schützenden OP-Masken erhalten sollen. Im Anschluss demaskierte sich die rassistische und unsoziale Partei weiter selbst, indem sie die Unterstützung von Menschen mit geringem Einkommen wie folgt ablehnte: „Die günstigere Variante der OP-Masken sind allerdings bereits für 5 Euro pro 50er-Pack im Internet erhältlich, sodass auch einkommensschwächere Familien in der Lage sein werden, den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen.“ Während die Rechten also ärmere Bochumerinnen und Bochumer mit schlechterem Infektionsschutz abspeisen wollen, ist das für uns auf keinen Fall eine Option. Im weiteren Verlauf der Debatte berichtete Sozialdezernentin Britta Anger von den jüngsten Entwicklungen – unter anderem, dass die Stadt gerade eine größere Anzahl von Masken erhalten habe, die zeitnah per Post an die Empfänger:innen von Sozialleistungen verschickt werden sollen. Auch an einer Ausgabe an Wohnungslose werde gearbeitet. Aufgrund dieser Entwicklungen haben wir die Abstimmung über unseren Antrag zunächst zurückgestellt. Wir wollen jetzt sehen, ob die Verteilung wie von der Sozialverwaltung versprochen zeitnah funktioniert und auch wirklich alle Zielgruppen erreicht. Bei Problemen behalten wir uns vor, erneut mit zu reagieren.
6. Trotz Corona: 134 Zwangsräumungen in Bochum
„Zuhause bleiben“, das fordern Politik und Behörden während der Corona-Krise immer wieder. Dennoch sind im vergangenen Jahr 268 Wohnungs-Zwangsräumungen in unserer Stadt angesetzt worden. In 54 der betroffenen Haushalte lebten Kinder. 134 der Zwangsräumungen wurden letztendlich durchgeführt. Dass ist das Ergebnis einer Anfrage unserer Fraktion. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Trotz Corona liegt die Zahl der angesetzten Zwangsräumungen damit nur minimal unter den Skandal-Werten des Vorjahres (276 angesetzte Räumungen). Bei vielen der „nicht durchgeführten“ Räumungen gehen wir davon aus, dass die Betroffenen in der Krise trotzdem ihre bisherige Wohnung verloren haben – dass sie dem psychischen Druck der bevorstehenden Räumung also lediglich bereits nachgegeben haben, bevor es zum Äußersten kam. Mit 251 tatsächlich durchgeführten Zwangsräumungen hatte die Vertreibung von Bochumerinnen und Bochumern aus ihren Wohnungen im Jahr 2019 einen neuen Allzeit-Höchststand erreicht. Unserer Meinung nach stellen die gewaltsamen Wohnungsräumungen eine besonders brutale Folge des Zusammenspiels einer verfehlten Sozialpolitik mit dem wohnungspolitischen Versagen der Rathauskoalition dar. Nach Einschätzung der Verwaltung basieren neun von zehn Räumungsklagen auf Mietrückständen. Praktisch immer sind Empfänger*innen von Transferleistungen betroffen. Als LINKE fordern wir als Sofortmaßnahme ein Aussetzen von Wohnungs-Zwangsräumungen während der Corona-Krise, und grundsätzlich ein Verbot von Zwangsräumungen in die Wohnungslosigkeit.
7. Allianz für Wohnen: Grenzt die Stadt Sozial- und Umweltverbände aus?
Vor mehr als drei Jahren hat die SPD-Grünen-Koalition im Rat ein „Handlungskonzept Wohnen“ durchgesetzt, das vor allem auf die Privatisierung von Bauland setzt – statt wie von uns gefordert auf Erbbaurechte, kommunalen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau, deutlich höhere Sozialwohnungsquoten und Aktivierungen im Bestand. Teil des Beschlusses war auch, dass eine „Allianz für Wohnen“ gegründet werden soll. Jahrelang ist diesbezüglich nichts passiert. Jetzt geht die Verwaltung die Gründung dieser Allianz an – allerdings in einer irritierenden Form: In einer Mitteilung erklärte die Stadt zwar, dass die Allianzvereinbarung „unter Beteiligung lokaler Wohnungsmarktakteur*innen sowie Sozial- und Naturschutzverbänden in einem gemeinsamen Prozess erarbeitet“ werden soll. Tatsächlich wurden jedoch viele anerkannte Initiativen und Verbände aus diesen Bereichen nicht eingeladen, zum Teil sind sie sogar bei direkter Nachfrage abgewiesen worden. Insgesamt gestaltet die Verwaltung den Prozess wohl absichtlich intransparent: Die Treffen finden nichtöffentlich statt, und wer genau alles mitreden darf, ist bisher nicht bekannt. Das ist keine Kleinigkeit, schließlich soll diese „Allianz“ das zentrale Beratungsgremium werden, das die Stadt bei der Überarbeitung des Handlungskonzepts Wohnen unterstützt. Die neue Allianz hat damit möglichwerweise größeren Einfluss auf die Ausrichtung der Bochumer Wohnungspolitik in den kommenden Jahren.
Deswegen haben wir jetzt bei der Stadt eine vollständige Liste der Organisationen angefordert, die zu diesem Prozess eingeladen worden sind. Angesichts von Absagen zum Beispiel an den Arbeitskreis Umweltschutz Bochum e.V. (AkU) und der Nichteinladung der Bochumer Gewerkschaften wollen wir wissen, nach welchen Kriterien die Auswahl geschah. Insgesamt haben wir wie auch einige der nicht eingeladenen Iniativen die Befürchtung, dass es durch diese Einladungspolitik zu einem strukturellen Ungleichgewicht gekommen ist: Insbesondere unter den eingeladenen Wohnungsmarktakteur:innen soll die Immobilienwirtschaft gegenüber den Wohnraumnutzer:innen deutlich überrepräsentiert sein. Das wollen wir anhand der Einladungsliste im Einzelnen nachvollziehen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, muss die Stadt diesbezüglich unbedingt nachbessern. Wenn es um einen fairen Intreressensausgleich gehen soll, ist unserer Meinung nach unbedingt notwendig, dass dass die Perspektiven der Menschen, die Wohnraum benötigen sowie die Positionen der Sozial- und Naturschutzverbände gleichberechtigt in dem Gremium vertreten sind. Unsere Anfrage im Wortlaut.
8. Verheerende Zahlen: So werden die Stadtwerke grün gerechnet
Die Stadtwerke Bochum weisen in ihrem Strommix einen Anteil von 74,4 Prozent an erneuerbaren Energien aus. Das wirkt so, als könne sich die Rathaus-Koalition aus SPD und Grünen bequem zurücklehnen – denn in ihrem Koalitionsvertrag haben sie lediglich versprochen, bis zum Jahr 2022 den Anteil auf 75 Prozent zu erhöhen. Eine umfassende Anfrage unserer Linksfraktion hat jedoch ergeben: Der von den Stadtwerken tatsächlich beschaffte Strom besteht zu fast hundert Prozent aus fossilen Energien, mit einem Kohleanteil von 58,9 Prozent und einem Atomstrom-Anteil von 17,6 Prozent! Wie passt das zusammen? Wie funktioniert der große Trick, der Kohle- und Atomstrom grün werden lässt? Colin Fischer, unser Vertreter im Ausschuss für Umwelt, Nachhaltigkeit und Ordnung, erklärt das in einem detaillierten Artikel Schritt für Schritt – und sagt, welche Konsequenzen die Bochumer Politik unserer Meinung nach daraus ziehen muss. Der Artikel im Wortlaut.
9. Bauprojekt „Am Ruhrort“: Offene Fragen und zusätzliche Gutachten
Als Linksfraktion fordern wir zusätzliche Gutachten und Informationen, bevor über das umstrittene Bauprojekt „Am Ruhrort“ in Bochum-Dahlhausen entschieden wird. In der Bezirksvertretung Südwest fand der Antrag unseres Mitglieds Wahed Tofik leider keine Mehrheit, die Entscheidung über den Bebauungsplan für das 2,7 Hektar große Gebiet zu vertagen – jedenfalls zunächst. Denn im Anschluss zog die Verwaltung die Beschlussvorlage am 25. Januar überraschend zurück, was wir begrüßen. Es geht darum, dass ein Investor auf der bisherigen Grünfläche 64 Reihenhäuser und Doppelhaushälften errichten will, die allermeisten davon ohne jegliche Sozialbindung. Zusammen mit der Bürgerinitiative „Grabeland am Ruhrort“ hatte unser Bezirksvertreter Wahed Tofik zuvor auf die vielen offenen Fragen hingewiesen, die aktuell eine Entscheidung unmöglich machen.
„Die Denkpause muss jetzt genutzt werden, um ein unabhängiges Klimagutachten und ein Umweltgutachten in Auftrag zu geben“, forderte Mehriban Özdogan, Ratsmitglied und Vertreterin der Bochumer LINKEN im Ausschuss für Planung und Grundstücke. Mehr Infos. Für Verwirrung sorgten allerdings Aussagen der Verwaltung in der Sitzung des Planungs-Ausschusses. Auf die Frage der Ausschuss-Vorsitzenden nach den von der Bürgerinitiative gewünschten Gutachten erklärte Stadtbaurat Markus Bradtke, alle genannten Gutachten lägen auch vor, und seien Teil des Verfahrens. Deswegen haben wir eine Anfrage im Rat eingereicht: Wir wollen wissen, wo das angeblich existierende Klimagutachten einsehbar ist. Falls es doch nicht vorliegt, wird die Verwaltung es noch einholen, wie das auch die Stabsstelle Klimaschutz der Stadt angeregt hat? Außerdem wollen wir wissen, wie die Stadtverwaltung das Dezernat für Immissionsschutz der Bezirksregierung normalerweise an solchen Planungsprozessen beteiligt. Der Hintergrund: Das Dezernat hat gegen den Planentwurf erhebliche Bedenken erhoben und sich schriftlich bei der Stadt beschwert: „Da das Dezernat 53 – Immissionsschutz – der Bezirksregierung Arnsberg in dem Planverfahren bislang nicht beteiligt wurde und nur zufällig von dem Vorhaben erfahren hat, können erst jetzt die vorliegenden Bedenken zu der Planung vortragen werden. Ich bitte das Dezernat 53 – Immissionsschutz – Bezirksregierung Arnsberg immer zu beteiligen, wenn FNP- und Bebauungspläne geändert bzw. neu aufgestellt werden, und innerhalb des Einwirkungsbereiches der Anlagen für die die Bezirksregierung zuständig ist, liegen.“ Unsere Anfrage im Wortlaut.
10. Nazi-Hooligans auf Bochumer Corona-Demo
Seit Monaten trifft sich Samstags auf dem Husemannplatz eine kleine Gruppe, um gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren, Verschwörungsmythen zu verbreiten und teilweise die Pandemie zu leugnen. Zumeist kommen zwischen sechs und zehn Menschen. Am 2. Januar war jedoch auch eine etwa 25 Personen starke Gruppe der „Bruderschaft“ bzw. „Schwesternschaft Deutschland“ anwesend. Diese Gruppierung gilt als gewaltbereite Mischstruktur von Neonazis, Rockern und Hooligans. Bei Hausdurchsuchungen wurden bei Mitgliedern der Gruppe Waffen gefunden. Die Gruppe positionierte sich strategisch geschickt um den Husemannplatz herum, so dass sie den Zu- und Abgang von Menschen gezielt kontrollieren konnte. Dennoch wurde die Kundgebung lediglich von einigen wenigen Polizist:innen und Mitarbeiter:innen des Ordnungsamts begleitet. So kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der extrem rechten „Bruderschaft“ / „Schwesternschaft“ und anderen Personen in der Innenstadt – wobei die extrem rechten Hooligans Menschen bis in die Harmoniestraße verfolgen konnten. Erst nach einer längeren Zeit kam dann die polizeiliche Verstärkung, die Ruhe in die Situation bringen konnte. Mit einer Anfrage im Rat machen wir die Polizeistrategie bei diesem Einsatz zum Thema: Wir wollen wissen, warum die Behörden trotz des Auftretens der extrem rechten und gewaltbereiten Gruppe nur mit so wenigen Kräften vor Ort war. Angesichts der Tatsache, dass neben taktischen Distanzierungen auch ein Redner der coronaskeptischen Kundgebung erklärte, dass die „Bruderschaft“ bzw. „Schwesternschaft“ auf ihren Wunsch da sei, wollen wir wissen, welche Konsequenzen die Behörden daraus für weitere Kundgebungs-Anmeldungen der Gruppe ziehen. Die Anfrage im Wortlaut.
11. Krankenstand, Mehrarbeit, Belastungsanzeigen bei der Stadt
Als Linksfraktion fordern wir, dass die Stadt Bochum einen konkreten Personalaufbauplan für die städtische Verwaltung entwickelt, um die stark negativen Folgen der vor allem seit dem Jahr 2011 durchgesetzten Personalkürzungspolitik zu bekämpfen. Mit anderen Worten: Die Stadt soll einen Schlachtplan entwickeln, wie sie mit mehr öffentlicher Beschäftigung in zentralen Bereichen wieder handlungsfähig werden kann. Um die Folgen von Überlastung und Personalmangel für die städtischen Beschäftigten zu dokumentieren, haben wir jetzt eine Anfrage im Rat gestellt: Wir wollen wissen, wie sich der Berg an Mehrarbeit und die Zahl der nicht genommenen Urlaubstage in den vergangenen zwei Jahren entwickelt haben, die die Beschäftigten vor sich herschieben. Auch fragen wir an, wie sich der Krankenstand und die Zahl der Belastungsanzeigen unter den städtischen Beschäftigten entwickelt hat. Die Anfrage im Wortlaut. Angesichts der besonderen Situation in der Corona-Krise haben wir im Ausschuss für Umwelt, Nachhaltigkeit und Ordnung noch einige zusätzliche Fragen für den Bereich des Ordnungsamts eingereicht – schließlich soll es hier laut Presseberichten alleine in den kreisfreien Städten in NRW zu mehr als 100.000 Stunden Mehrarbeit gekommen sein. Deshalb wollen wir wissen, wie viele Überstunden im Durchschnitt pro Bochumer Ordnungsamts-Beschäftigten seit Beginn des ersten Corona-Lockdowns angefallen sind, wie sich diese Zahlen zu den Vorjahren verhalten, welche Maßnahmen zur Entlastung die Stadt trifft – und ob die Stadt Aufgaben des Ordnungsamts an private Security-Firmen outsourct. Die Anfrage im Wortlaut. Über die Antworten werden wir informieren.
12. Nachgehakt: Umgang der Stadt mit Streusalz
Ebenfalls im Umweltausschuss machen wir den Umgang der Stadt mit umweltschädlichem Streusalz zum Thema. Umweltverbände werben zu Recht dafür, das Streuen von Salz wo immer möglich durch andere Maßnahmen zu ersetzen. Denn das Salz gelangt über den Boden in die Pflanzen. Die Folgen zeigen sich später im Jahr, wenn salzgeschädigte Straßenbäume trotz ausreichender Niederschläge allmählich vertrocknen. Außerdem ist das Salz schädlich für Tiere und kann zur Versalzung des Grundwassers beitragen. Eine gute Alternative sind häufig salzfreie, abstumpfende Streumittel wie Granulate, Split, Sand oder Kies. Wie eine Anfrage unserer Fraktion bereits vor einem Jahr ergeben hat, wird in Bochum bisher leider keine Statistik zu Verstößen gegen das Streusalzverbot geführt. Das sollte sich unserer Meinung nach ändern. Insbesondere fordern wir jedoch, dass der städtische Winterdienst mit gutem Beispiel vorangeht und Streusalz so sparsam wie sinnvoll möglich einsetzt, und so häufig wie möglich auf Alternativen zurückgreift. Daher bitten wir die Verwaltung jetzt um genaue Zahlen, wie viele Tonnen Streusalz die Stadt bzw. die von ihr beauftragten Unternehmen in diesem Winter vorgehalten haben, und wie sich der Einsatz im Vergleich zu unseren Nachbarstädten verhält. Außerdem interessiert uns, ob transparente kommunale Richtlinien zum Einsatz von Streusalz in unserer Stadt existieren, und wenn ja, wie genau sie lauten. Die Anfrage im Wortlaut.
13. Neuwahl der Rats-Ausschüsse verschoben
Der Bochumer Rat muss die Wahl seiner Ausschüsse ein drittes Mal durchführen – so hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden. Hintergrund ist die Klage der neu gegründeten Fraktion aus den vorherigen Ratsgruppen der „Partei“ und „Stadtgestaltern“. Bei den Wahlen der Ausschuss-Mitglieder auf der Ratssitzung im Dezember war die neue Fraktion leer ausgegangen und ist dagegen vor Gericht gezogen. Ursprünglich war die Neuwahl für diese Sitzung vorgesehen, jetzt soll das auf einer Sondersitzung am 25. Februar stattfinden. Eine Neubesetzung können wir allerdings schon jetzt verkünden: Für DIE LINKE wurde Benny Krutschinna in den Beirat der Bochumer Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW gewählt. Wir sagen herzlichen Glückwunsch und alles Gute beim Engagement für wirtschaftlichen, gesundheitlichen und digitalen Verbraucherschutz!
14. Bochum fordert Atomwaffenverbot
Am Freitag, den 22. Januar, ist der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen in Kraft getreten – Deutschland fehlt! Zusammen mit dem Bochumer Friedensplenum, IPPNW und der DFG-VK haben wir das Inkrafttreten des Vertrags gefeiert – und mit einem leeren Stuhl gegen den Boykott der deutschen Bundesregierung demonstriert. Auf Initiative unserer Fraktion hat der Bochumer Rat die Bundesregierung offiziell aufgefordert, dem UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beizutreten. Mit der Verabschiedung der Resolution im Juli 2019 ist Bochum die 33. deutsche Stadt geworden, die den Appell der „International Campaign to Abolish Nuclear Weapons“ (ICAN) unterzeichnet hat. Die Resolution im Wortlaut. Mehr Infos.