Liebe Leserinnen und Leser,
Am Donnerstag, den 27. Mai hat der Bochumer Rat getagt. In diesem Newsletter bereiten wir die Entscheidungen der Sitzung nach: Es geht um vergebene Chancen für eine neue städtische Bodenpolitik, um die schlechte Finanzierung der Kindertagespflege – und darum, wie die Rathaus-Mehrheit zugunsten einer Industrie-Ansiedlung im Bochumer Norden ein Mischgebiet für Gewerbe und Wohnen verhindert. Aus dem Ausschuss für Mobilität gibt es Licht und Schatten vermelden, während neue Zahlen zum Personalmangel und zur Überlastung der städtischen Beschäftigten nur mit einem Wort bezeichnet werden können: dramatisch. Außerdem informieren wir über die aktuelle Situation in Sachen Hartz-IV-Sanktionen, Corona-Hilfen für die freie Kultur und besonders betroffene Stadtteile, und unsere Vorschläge angesichts der schlechten Bochumer Bilanz beim öffentlich geförderten Wohnungsbau.
Die Themen im Einzelnen:
1. Erbbaurecht statt Privatisierung: Keine Mehrheit für Erweiterung des Grundstückfonds
2. Kindertagespflege: Rathaus-Koalition will an Honorardumping festhalten
3. Ecosoil-Streit: Linksfraktion unterstützt Bezirksvertretung
4. Privatisierung von VBW-Wohnungen durch Mietkauf? Nein danke!
5. Immer krasser: Rathaus-Koalition ohne Konzept gegen Überstundenberg
6. Trotz Corona: Weiter Hartz-IV-Sanktionen in Bochum
7. Vergaben in der Corona-Krise: Erstmal keine weiteren Prüfungen
8. Corona & freie Kultur: Stadt rechtfertigt Ungleichbehandlung
9. Für Verkehrssicherheit und Aufenthaltsqualität: LINKE beantragt Fahrradring
10. Endlich: Straßenbahn-Schienen sicherer für den Radverkehr machen!
11. E-Mail-Affäre im Bochumer Schulamt: Linksfraktion verlangt Aufklärung
12. Jetzt an den Sommer denken: „Hitzekonzept“ für Wohnungslose!
13. Corona und Armut: Konzept für besonders betroffene Stadtteile
14. Sozialer Wohnungsbau: LINKE fordert Konsequenzen
15. In eigener Sache: Linksfraktion zieht um
1. Erbbaurecht statt Privatisierung: Keine Mehrheit für Erweiterung des Grundstückfonds
Die Rathaus-Koalition hat offensichtlich kein Interesse daran, beim städtischen „Sondervermögen Grundstücksentwicklung“ mehr Möglichkeiten zu nutzen. Jedenfalls hat der Rat einen Antrag unserer Fraktion abgelehnt: Statt Grundstücke nach dem Ankauf wieder verkaufen zu müssen, wollten wir der Stadt ermöglichen, die Grundstücke zu behalten und nach dem Erbbaurecht zu vergeben. Die Satzung des Sondervermögens sieht aktuell vor, dass der Boden wieder veräußert wird. Der Fonds ist vor zwei Jahren gebildet worden, um den Aufkauf und die Entwicklung ungenutzter Flächen im Stadtgebiet zu ermöglichen. „Stark steigende Bodenpreise sind ein ernsthaftes Problem, wenn es um den Erhalt und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum geht“, sagte unser Ratsmitglied Mehriban Özdogan. „Seit Jahren fordern wir eine aktivere städtische Bodenpolitik. Aktuell wird der Grundstücksfonds durch die Verpflichtung zum Wiederverkauf unnötig eingeschränkt. Werden Grundstücke nicht wieder privatisiert, sondern nach dem Erbbaurecht vergeben, kann sich die Stadt langfristige Steuerungsmöglichkeiten erhalten.“ Mehr Infos. In der Debatte erklärte Mehriban Özdogan: „Erbbaurecht ist sowohl für Gewerbe- als auch für Wohn-Immobilien sinnvoll. Bei Gewerbegrundstücken kann die Stadt im Fall von Betriebsaufgaben neu und demokratisch legitimiert über die Nutzung entscheiden und das längere Brachliegen von Flächen vermeiden. Bei der Vergabe von Grundstücken für den sozialen Wohnungsbau können Mietpreisbindungen für die gesamte Dauer des Erbbaurechts erreicht werden, also deutlich länger als beim Verkauf.“ Die Rede im Wortlaut. Die Begründungen, mit denen Verwaltung und Koalition gegen unseren Antrag argumentierten, waren widersprüchlich: Erst hieß es, dass die Satzung des Sondervermögens bereits jetzt Vergaben nach dem Erbbaurecht zulasse, dann wiederum, dass sie dies im Regelfall sowieso nicht für sinnvoll halten. Über einen anderen Umgang mit Grundstücken, die sich bereits länger im Eigentum der Stadt befinden, werden die Ausschüsse des Rates und die Bezirksvertretungen in den kommenden Monaten beraten. Unter dem Titel Neuausrichtung der Bodenpolitik und Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht legt die Verwaltung einen Grundsatzbeschluss vor. Mit unserem Antrag wollten wir erreichen, dass die Verwaltung jetzt beauftragt wird, eine entsprechende Satzungsänderung für das Sondervermögen vorzubereiten, damit sie zusammen mit dem Grundsatzbeschluss im August beschlossen werden kann.
2. Kindertagespflege: Rathaus-Koalition will an Honorardumping festhalten
Ohne unsere Stimmen hat der Bochumer Rat eine neue Kindertagspflegesatzung verabschiedet. In der Debatte haben wir erneut eindringlich eine bessere Bezahlung von Tagesmüttern und -vätern gefordert. „Eine Anfrage unserer Fraktion hat bestätigt, dass mehr als 200 selbständig tätige Tageseltern von der Stadt schlechter bezahlt werden als in einem Mindestlohn-Job“, sagte unser Ratsmitglied Mehtap Yildirim bereits im Vorfeld der Sitzung. „Sie landen damit bei einem Einkommen, das bei einer Festanstellung schlichtweg illegal wäre. Beschäftigung durch die Stadt darf nicht zu Armut führen. Wir fordern die Rathaus-Koalition auf, die viel zu niedrigen Sätze so zu erhöhen, dass sich die Stadt Bochum nicht mehr Honorar-Dumping durch prekäre Beschäftigung vorwerfen lassen muss.“ Die Erklärung im Wortlaut. Während der Debatte zu der neuen Satzung wies unser Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier außerdem darauf hin, dass eine angemessene Bezahlung nicht nur für die Tageseltern wichtig sei: „Es geht uns dabei auch um ein weiteres Signal: Es gibt einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, und Bochum schafft es immer noch nicht, ihn durch Kita-Plätze für alle zu erfüllen. Die Tagespflege ist dann für viele Eltern die einzige Alternative. Wenn es wegen der niedrigen Bezahlung der Tagesmütter und -väter für die Stadt billiger ist, zu wenig Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen, dann sorgt das für falsche Anreize.“ Die Rede im Wortlaut und weitere Infos dazu. Trotz dieser Kritik machte die Rathaus-Koalition in der Debatte klar, dass an den aktuell sehr niedrigen Sätzen festhalten will.
3. Ecosoil-Streit: Linksfraktion unterstützt Bezirksvertretung
„Es ist ein einmaliger Vorgang, wie die Stadtverwaltung die Einwände der Bezirksvertretung Nord und unserer Nachbarstadt Castrop-Rauxel übergeht“ – so kritisierte unser Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier das Verhalten der Stadt im Streit um die Ansiedlung der Bodenaufbereitungs-Firma Ecosoil in Bochum-Gerthe. Seit längerer Zeit gibt es Proteste im Bochumer Norden und im angrenzenden Castrop gegen die Ansiedlung. Im November des vergangenen Jahres hatte die zuständige Bochumer Bezirksvertretung eine Anregung beschlossen: Für das Gelände südlich der Bövinghauser Straße soll ein Bebauungsplan erlassen werden, um es zu einem Mischgebiet aus Kleingewerbe und Wohnen zu machen, statt dort den Industriebetrieb mit LKW-Verkehr von rund 300 Lastwagen pro Tag anzusiedeln. Diesen Vorschlag haben wir als LINKE unterstützt. Anders als üblich und eigentlich notwendig legte die Verwaltung diese Anregung allerdings ein halbes Jahr lang dem zuständigen Ratsausschuss einfach nicht zur Beratung vor. Diese Verzögerungstaktik war in unseren Augen rechtswidrig. Die Vermutung: Zuerst sollten mit einem positiven Vorbescheid an Ecosoil Fakten geschaffen werden, um so Sachzwänge zu schaffen, die für die Ansiedlung sprechen. In der Debatte zum Thema machte Horst Hohmeier deutlich, dass wir als Linksfraktion die Einwände der Bezirksvertretung vollumfänglich teilen, und dass wir diesen Umgang mit der Bezirksvertretung für inakzeptabel halten. Trotz alledem entschied sich eine Mehrheit unter Führung der Rathaus-Koalition aus SPD und Grünen, das Vorgehen der Verwaltung abzusegnen. Mit einem halben Jahr Verspätung und gegen unsere Stimmen ist der Rat damit der in unseren Augen sinnvollen Anregung der Bezirksvertretung Nord nicht gefolgt.
4. Privatisierung von VBW-Wohnungen durch Mietkauf? Nein danke!
Mit unseren Stimmen hat der Bochumer Rat außerdem einen Vorschlag von Die Partei/Stadtgestalter abgelehnt: Die Fraktion wollte erreichen, dass die mehrheitlich städtische Wohnungsgesellschaft VBW Wohnungen ankauft und anschließend wieder über ein Mietkauf-Modell privatisiert. Warum wir das für falsch halten und was wir stattdessen für die VBW fordern, hat Mehriban Özdoğan erklärt: „Wer die Privatisierung fordert, riskiert mindestens mittelfristig, dass die Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt landen und Preise steigen.“ Als Linksfraktion setzen wir uns dafür ein, das kommunale Eigentum zu stärken und möglichst viele Wohnungen dauerhaft gemeinwohlorientiert zu bewirtschaften. Auf den Einwand, dass Mieterinnen und Mieter hohe Profite von Wohnungsunternehmen finanzieren, entgegnete sie: „Ja, richtig. Aber als LINKE sagen wir, die naheliegende Lösung ist doch, was wir hier immer wieder beantragen: Die millionenschweren Gewinnausschüttungen der mehrheitlich städtischen Wohnungsgesellschaft zu beschränken, und die VBW zu einem gemeinwohlorientierten Unternehmen umzubauen – mit niedrigeren, kostendeckenden Mieten. Stattdessen von der städtischen Wohnungsgesellschaft erworbene Wohnungen verkaufen, das lehnen wir ab.“ Es sei einfach nicht wahr, dass von diesem Vorschlag Familien mit geringem Einkommen profitieren würden. Schließlich sei Immobilienbesitz ohne finanzielle Rücklagen eine hochriskante Sache. Ihr Fazit: „Wer Familien mit geringem Einkommen wirklich helfen will, sorgt für möglichst viele gemeinwohlorientierte kommunale Wohnungen, dauerhafte Mietpreisbindungen, und für eine Wohnungsgesellschaft, bei der sich niemand Profite in die Tasche steckt – auch nicht die Stadt Bochum. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.“ Die Rede im Wortlaut.
5. Immer krasser: Rathaus-Koalition ohne Konzept gegen Überstundenberg
Der Überstundenberg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Bochum nimmt immer dramatischere Ausmaße an – und der Koalition aus SPD und Grünen fehlen offensichtlich jegliche Ideen um diesen Trend umzukehren. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Anfrage unserer Fraktion: Zum Ende des vergangenen Jahres standen insgesamt gut 225.000 Stunden geleisteter Mehrarbeit auf den Zeitkonten der Beschäftigten. Damit hat sich die Zahl innerhalb von vier Jahren um mehr als 24 Prozent erhöht (2016: 181.036 Stunden). Auch weitere Kennzahlen aus der Antwort der Verwaltung machen deutlich, dass die Stadt Bochum immer krasser auf Pump bei ihren Beschäftigten lebt: Der Anteil des zum Jahresende nicht genommenen Urlaubs hat sich im gleichen Zeitraum von 13,98 Prozent auf 17,67 Prozent erhöht, der Krankenstand ist mit 9,55 Prozent anhaltend hoch. Diese Zahlen bestätigen einmal mehr unsere Kritik an der städtischen Personalpolitik, die den Druck auf die Beschäftigten immer weiter erhöht. Als Linksfraktion sagen wir: Bochum braucht dringend einen Personalaufbauplan für die städtische Verwaltung, um endlich die stark negativen Folgen der vor allem seit dem Jahr 2011 durchgesetzten Personalkürzungspolitik zu bekämpfen. Welche schlimmen Folgen der Personalmangel in unterschiedlichen Bereichen hat, haben wir an zwei Beispielen dokumentiert: Eine weitere Anfrage unserer Fraktion hat ergeben, dass sich bei der Bochumer Ausländerbehörde bis März dieses Jahres 4.749 Anträge auf Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen angestaut haben – mehr als dreimal so viele wie üblich. Wer dort einen Termin braucht, muss ein Vierteljahr warten. Auf unsere Frage, ob die Stadt angesichts des enormen Rückstaus zumindest besonders dringliche Fälle vorzieht, antwortet die Verwaltung: „Ein Verfahren zur Priorisierung von besonders dringlichen Fällen kann aufgrund des aktuellen Personalmangels nicht umgesetzt werden.“ Mehr Infos. Zweites Beispiel ist das Bochumer Ordnungsamt. Hier hat unsere Anfrage ergeben: Vor Beginn der Corona-Krise (28. Februar 2020) hatten die 88 Beschäftigten 3.895 Stunden auf ihren Zeitkonten angesammelt, zum Jahresende waren es bereits 6.319 Stunden. Mehr Infos.
6. Trotz Corona: Weiter Hartz-IV-Sanktionen in Bochum
Das Bochumer Jobcenter hat im Corona-Jahr 2020 insgesamt 1.703 Hartz-IV-Sanktionen gegen Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen verhängt. Das hat die Verwaltung zu dieser Ratssitzung Anfrage unserer Fraktion geantwortet. Im Vorjahr hatte die Zahl der Sanktionen mit 5.036 einen neuen Höhepunkt erreicht, während sie seit 2016 zwischen 4.486 und 4.677 schwankte. Wir gehen davon aus, dass die geringere Zahl der Sanktionen keineswegs eine Trendwende darstellt, sondern praktisch ausschließlich den besonderen Regelungen in der Pandemie geschuldet ist. Zusätzlich ist anzumerken, dass auch das Bochumer Jobcenter inzwischen glücklicherweise gezwungen ist, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, wonach es gegen das Grundgesetz verstößt, Menschen die Sozialleistungen komplett zu streichen. Allerdings teilt das Jobcenter mit, dass es insbesondere bei Hartz-IV-Aufstockung nach wie vor Fälle gibt, in denen die Zahlung nach Sanktionen komplett eingestellt wird. Als Linksfraktion treten wir dafür ein, die unwürdige Sanktionspraxis insgesamt zu beenden. Dafür spricht auch die vergleichsweise große Zahl von rechtswidrigen Sanktionen: In den vergangenen beiden Jahren wurden beim Jobcenter 302 Widersprüche gegen Sanktionen eingelegt. Im gleichen Zeitraum hat das Jobcenter 160 Widersprüche als berechtigt anerkannt, weitere wurden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Gerichten positiv beschieden. Unbekannt bleibt die Dunkelziffer der rechtswidrigen Sanktionen, gegen die sich die Betroffenen nicht gewehrt haben. Keine Aussagen macht die Verwaltung auch dazu, wie vielen Bedarfsgemeinschaften die Leistungen für Unterkunft und Heizung und die Wohnungskosten gekürzt beziehungsweise gestrichen wurden. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut.
7. Vergaben in der Corona-Krise: Erstmal keine weiteren Prüfungen
Die Stadt Bochum soll Auftragsvergaben für pandemiebedingt benötigte Produkte (Masken, Corona-Schnelltests, Luftfiltergeräte, Schutzausrüstung usw.) noch einmal intensiv überprüfen – das haben wir mit einer Anfrage zur Ratssitzung im März gefordert. Unter anderem wollten wir wissen, ob Mitglieder des Rates, des Landtages oder des Bundestages mit Hinweisen oder Vermittlungsangeboten Einfluss auf Auftragsvergaben der Stadt genommen haben, und ob es Hinweise auf Parteispenden, Provisionszahlungen oder Sponsoring im Zusammenhang mit Corona-Aufträgen gibt. Zu dieser Ratssitzung teilt die Verwaltung mit, dass hierzu alle Fachbereiche der Stadtverwaltung befragt worden seien. Das Ergebnis: „Keinem Fachbereich der Stadtverwaltung wurde durch Ratsmitglieder bzw. Abgeordnete des Landtags oder des Bundestages Hinweise auf Unternehmen gegeben, die von der Stadt Corona-bedingt benötigte Produkte (Masken, Corona-Schnelltests, Luftfiltergeräte, Schutzausrüstung usw.) anbieten. Ebenso wurden keine entsprechenden Vermittlungsangebote unterbreitet.“ Für den zentralen Einkauf mache die Stadt von den vereinfachten Vergabegrundsätzen Gebrauch, die vom Land NRW erlassen worden sind. Bisher plane die Verwaltung keine nachträglichen Prüfungen, allerdings halte sich Rechnungsprüfungsamt offen, Vergaben einer einzelnen, gesonderten Prüfung zu unterziehen. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Als Linksfraktion setzen wir uns angesichts der bundesweit bekanntgewordenen Korruptionsskandale für die lückenlose Überprüfung der Vergaben für pandemiebedingt benötigte Produkte ein. „Es darf sich nicht der Eindruck festsetzen, dass Politik käuflich sei“, hatte unser Ratsmitglied Moritz Müller dazu erklärt.
8. Corona & freie Kultur: Stadt rechtfertigt Ungleichbehandlung
Seit vergangenem August haben wir uns dafür eingesetzt, im Januar war es dann so weit: Der schon im Sommer 2020 völlig verausgabte Bochumer Rettungsschirm für die freie Kulturszene wurde endlich aufgestockt. Wie sich jedoch herausstellte, setzte die Stadtverwaltung den Beschluss mit Rückendeckung der SPD-Grünen-Koalition höchst kreativ um: Während Einrichtungen wie das Schauspielhaus Bochum, die Bogestra oder auch das Trianel-Kohlekraftwerk Lünen zur Überwindung der Krise zusätzliche Mittel erhalten haben, ist das für die freie Kulturszene nicht der Fall. Stattdessen wurden die Kulturschirm-Unterstützungen aus der sowieso im Haushalt eingeplanten Projektförderung für die freie Szene bezahlt. Mit einer Anfrage im Rat haben wir dazu Aufklärung verlangt. Warum wurden die in 2020 wegen des Corona-Lockdowns nicht abgerufenen Mittel der Projektförderung für die freie Szene nicht auf das Jahr 2021 übertragen? Warum werden die vergleichsweise geringen Mittel des Bochumer Kulturschirms nicht wie andere Corona-bedingte Mehrbelastungen ebenfalls zusätzlich bereitgestellt? In ihrer Antwort rechtfertigt die Verwaltung diese Ungleichbehandlung mehr schlecht als recht: Diese Variante der Gegenfinanzierung sei aus „haushalterischen Gründen“ gewählt worden, heißt es lapidar. Damit werde der Tatsache Rechnung getragen, „dass es sich bei den Zahlungen aus dem Kulturschirm um keinen Zuschuss handelt, der die Handlungsfähigkeit der Stadt Bochum selbst oder einer Ihrer Beteiligungen sicherstellt“. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Als Linksfraktion halten wir das nicht für zufriedenstellend und fordern zusätzliche Maßnahmen ein, um der freien Kulturszene tatsächlich eine zusätzliche Hilfe zur Überwindung der Corona-Krise zukommen zu lassen, statt nur bereits lange vor der Krise zugesagtes Geld auszuzahlen.
9. Für Verkehrssicherheit und Aufenthaltsqualität: LINKE beantragt Fahrradring
Wegen Beratungsbedarf auf den 17. Juni verschoben wurde die Beschlussfassung über das neue Mobilitätskonzept für die Bochumer Innenstadt. In diesem Zusammenhang beantragen wir, für den fahrradfreundlichen Umbau des Innenstadtrings zwei Alternativ-Varianten zu planen: Wir wollen erreichen, dass auch der seit vielen Jahren diskutierte Vorschlag einbezogen wird, auf der Innenseite des Rings zwei Radspuren umzusetzen, während der Autoverkehr auf der Außenseite zweispurig als Kreisverkehr geführt wird. „Von den drei Varianten, die in der Beschlussvorlage der Verwaltung vorgeschlagen werden, ist unserer Meinung nach nur die Variante A geeignet, einen halbwegs sicheren Rad- und Autoverkehr zu gewährleisten“, sagte unser Ausschuss-Mitglied Wolfgang Möller. Dieser Vorschlag sieht zwei 2,5 Meter breite Radstreifen auf beiden Seiten des Südrings vor. Die beiden Autospuren verlaufen dazwischen. Leider bevorzugt die Verwaltung aktuell die Variante C, die viele Nachteile hat: Die Radstreifen sind zu schmal, und weil ein Abstand zu den Auto-Spuren vollständig fehlt, bleibt die Unfallgefahr hoch. Deswegen beantragen wir, dass die Variante A sowie der Vorschlag weiter geplant wird, für den wir uns seit Beschluss unseres Kommunalwahlprogramms 2014 einsetzen: Die Innenseite des Rings soll zum zweispurigen Fahrradring umgebaut werden. Die beiden Kfz-Spuren werden dann auf der Außenseite als Einbahnverkehr gebündelt. Das ist deutlich sicherer, denn Rad- und Autoverkehr sind durch einen Grünstreifen in der Mitte getrennt. Außerdem werden die Außenflächen auf der Innenseite des Rings durch den größeren Abstand zum Verkehrslärm deutlich aufgewertet. Dadurch würde eine Flaniermeile mit tollen Möglichkeiten für Cafés und anliegende Geschäfte entstehen. Die aktuell von der Verwaltung bevorzugte Schmalspurlösung halten wir dagegen für keine gute Lösung. Wir fordern eine verkehrssichere Lösung für den gesamten Innenstadtring ein, welche durch gute Planung und getrennte Spuren dafür sorgt, dass sich Autos, Rad- und Fußverkehr nicht mehr in die Quere kommen. Mehr Infos.
10. Endlich: Straßenbahn-Schienen sicherer für den Radverkehr machen!
Eine andere Entscheidung des Mobilitätsausschusses ist ein Erfolg für die Verkehrssicherheit: Mit Stimme unserer Fraktion hat der Ausschuss beschlossen, auf der Hans-Böckler-Straße in Richtung Süden einen Radweg auszuweisen und eine Gummilippe in die Straßenbahngleise einzubauen, um die Unfallgefahr zu reduzieren. Das Thema Fahrradunfälle an Straßenbahngleisen hat unsere Fraktion vor einem Jahr auf die Tagesordnung gebracht: Nachdem die Verwaltung auf unsere Anfrage dazu geantwortet hatte, beschäftigte sich auch der Bochumer Rat damit. Die Stadt hatte nämlich geantwortet, dass die Polizei von 26 Fahrradunfällen in den Bochumer Straßenbahngleisen seit 2018 weiß. Bei sieben der Unfälle wurden die Betroffenen schwer verletzt. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Angesichts der Zahlen hatte damals unser Ausschuss-Mitglied Sabine Lehmann im Mobilitätsausschuss darauf hingewiesen, dass es Gummiprofil-Konstruktionen gibt, durch deren Einbau solche Unfälle vermieden werden – weil Fahrräder dann nicht mehr in die Schienen geraten können. Daher schlug Sabine Lehmann in einer offiziellen Anfrage vor, das System auf der Hans-Böckler-Straße zu testen. In der Verwaltung wurde eine entsprechende Arbeitsgruppe gebildet, und wir freuen uns sehr, dass der Vorschlag jetzt umgesetzt wird. Wir werden uns dafür einsetzen, dass ein entsprechendes System auch anderswo in Bochum eingebaut wird. Der Beschluss im Wortlaut.
11. E-Mail-Affäre im Bochumer Schulamt: Linksfraktion verlangt Aufklärung
Hat Druck aus dem Bochumer Schulamt dafür gesorgt, dass das Jobcenter Anträge auf dringend benötigte Computer für den Distanzunterricht abgelehnt hat? Wenn ja, wie viele Schülerinnen und Schüler sind betroffen? Diesen Fragen gehen wir aktuell mit einer umfassenden Anfrage im Schulausschuss nach. Darum geht es: Kinder aus Familien im Harz-IV-Bezug haben Anspruch auf einen einmaligen Jobcenter-Zuschuss zur Anschaffung eines Tablets bzw. Computers für den digitalen Distanzunterricht. Voraussetzung für die Jobcenter-Unterstützung in Höhe von bis zu 350 Euro ist unter anderem: Die Schulen müssen den Bedarf und die Teilnahme am pandemiebedingten Distanzunterricht schriftlich bestätigen. Medienberichten zufolge hat ein Schulrat des Bochumer Schulamts jedoch in einer E-Mail geschrieben, Lehrkräfte sollten in den Formularen nicht bestätigen, dass „der Schulunterricht (…) digital ausgeführt“ wird und die „Schüler*innen auf einen internetfähigen Computer angewiesen“ sind. Betroffene Lehrkräfte berichten, dass sie die E-Mail als Aufforderung verstanden haben, die Formulare nicht wahrheitsgemäß auszufüllen. Es solle vermieden werden, dass Mängel beim digitalen Unterricht in Bochum dokumentiert werden, so die Vermutung. „Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, ist das ein ernsthafter Vorgang“, sagte unser Schulausschuss-Mitglied Benny Krutschinna. Mehr Infos zu den zehn Einzelfragen, zu denen wir von der Bochumer Schulverwaltung Aufklärung einfordern, gibt es hier.
12. Jetzt an den Sommer denken: „Hitzekonzept“ für Wohnungslose!
Für den vergangenen Winter hatte sich die Stadt Bochum erstmals das Ziel gegeben, obdach- und wohnungslose Menschen mit einem „Kältekonzept“ besser zu schützen. Das hat nur teilweise geklappt, und wir fordern substanzielle Nachbesserungen. In einem anderen Bereich muss aber noch schneller gehandelt werden: Initiativen der Wohnungslosenarbeit weisen darauf hin, dass hohe Temperaturen im Sommer ebenfalls sehr gefährlich sind. Die Folgen werden häufig unterschätzt. Mit einer umfassenden Anfrage wollen wir den Grundstein dafür legen, dass die Stadt Bochum ihre Maßnahmen für den Sommer ebenfalls transparent in einem „Hitzekonzept“ zusammenfasst und veröffentlicht. „Menschen ohne festen Wohnsitz sind der Sonne und der Hitze oftmals schutzlos ausgeliefert“, sagte unsere Fraktionsvorsitzende im Ausschuss. „Dehydrierung, Kreislaufprobleme, Sonnenstiche, Hitzeschläge und Verbrennungen sind große Probleme. Tagesaufenthalte bieten oftmals nicht die notwendige Ruhe oder sind überfüllt. Auch die Versorgungslage kann für Probleme sorgen, denn viele Lebensmittel sind ohne Kühlung nur schlecht haltbar.“ Welche Informationen wir aktuell durch die Verwaltung im Detail zusammenstellen lassen, damit sie als Grundlage für ein Konzept zur Linderung der besonderen Probleme von Wohnungslosen im Sommer dienen können, ist hier nachzulesen.
13. Corona und Armut: Konzept für besonders betroffene Stadtteile
Auch wenn die Corona-Zahlen aktuell zurückgehen: Der Schutz vor Infektionen und der Impf-Fortschritt werden bis auf weiteres wichtige Themen bleiben. Im Sozialausschuss haben wir ein stadtteilbezogenes Konzept zur Eindämmung der Corona-Pandemie eingefordert. „Bisher schlüsselt die Stadt die Corona-Inzidenzwerte nur für die sechs Bochumer Stadtbezirke auf“, sagte unser Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi. „Schon bei Auswertung dieser Zahlen werden große Unterschiede deutlich: Die durchschnittlichen wöchentlichen Inzidenzwerte der vergangenen acht Wochen lagen in den verhältnismäßig wohlhabenden Bezirken Süd und Südwest deutlich unter denen von Bochum-Mitte und Wattenscheid.“ Sie geht davon aus, dass Armut sowie prekäre Wohn- und Arbeitsverhältnisse eine große Rolle spielen. Um Menschen gezielter vor Infektionen schützen zu können, soll die Verwaltung genauere Zahlen für die 30 Bochumer Ortsteile zu veröffentlichen – insbesondere die lokalen Inzidenzwerte und Impfquoten. Mit einer Anfrage wollen wir das erreichen. Weiter wollen wir wissen, welche besonderen Maßnahmen sie bisher in Ortsteilen mit hohen Infektionsraten ergriffen hat. Insgesamt geht es uns darum, dass ein integriertes Konzept erstellt wird, um die Menschen vor Ort besser beim Infektionsschutz zu unterstützen. Mehr Informationen.
14. Sozialer Wohnungsbau: LINKE fordert Konsequenzen
Die Krise beim bezahlbaren Wohnraum hat sich weiter zugespitzt: Im Jahr 2020 ist die Zahl der mietpreisgebundenen Wohnungen in Bochum erneut um 241 Wohneinheiten gesunken. Insgesamt erreicht die Zahl der Sozialwohnungen damit einen neuen historischen Tiefststand von nur noch 12.472 Wohneinheiten. Im Jahr 2003 waren es noch fast 30.000. „Die Zahlen belegen, dass die Bochumer Wohnungspolitik auf ganzer Linie gescheitert ist“, sagte dazu unser Ratsmitglied Mehriban Özdogan. „In dem 2017 verabschiedeten Handlungskonzept Wohnen hat die Koalition den Neubau von 200 geförderten Wohnungen jährlich versprochen. Tatsächlich fertiggestellt wurden durchschnittlich gerade einmal 60 pro Jahr.“ DIE LINKE hatte von Anfang an kritisiert, dass die von der SPD und den Grünen durchgesetzten Sozialwohnungsquoten mit nur 20 bzw. 30 Prozent viel zu niedrig sind und zu genau zu diesem Verlust an sozialem Wohnraum führen werden. Die genauen Zahlen und was unsere Fraktion im Einzelnen zur Lösung der Wohnungskrise in Bochum vorschlägt, gibt es hier nachzulesen.
15. In eigener Sache: Linksfraktion zieht um
Zum Abschluss noch eine kurze Meldung in eigener Sache: Wegen der Umbauarbeiten im Historischen Rathaus wird die Geschäftsstelle unserer Fraktion verlegt. Ab kommender Woche befindet sich der Zugang in Raum 2060 im Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ). An der telefonischen Erreichbarkeit über unsere bisherigen Telefonnummern soll sich nach einer kurzen Umstellungszeit nichts ändern. Falls sich im Zusammenhang mit dem Umzug noch weitere Änderungen ergeben, werden wir darüber auf unserer Homepage informieren. Wegen der aktuellen Lage in der Corona-Pandemie ist unsere Geschäftsstelle leider vorerst immer noch für den Publikumsverkehr geschlossen. Wir freuen uns jedoch weiterhin über die Kontaktaufnahme per E-Mail oder Telefon.