Zuerst glaubten die Mitglieder der Bochumer Linksfraktion an einen schlechten Scherz: Per offizieller Pressemitteilung rufen Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und die Stadt Bochum zu dem Wettbewerb „Deutschlands beliebteste Pflege-Profis“ auf. Das Konzept: Per Online-Abstimmung soll herausgefunden werden, wer die beliebteste Pflegekraft Deutschlands ist – um ihre Beliebtheit dann mit einer Einmalzahlung von 2.000 Euro zu belohnen. Angesichts der Arbeitsbelastungen in der Corona-Krise bezeichnet die Linksfraktion den Aufruf der Stadt als „zynisch“. Sie fordert faire Löhne für alle Pflegekräfte sowie eine bessere kommunale Pflegeplanung.
Bei dem von der Stadt unterstützten Wettbewerb handelt es sich um eine Werbeaktion der privaten Krankenversicherungen. „Wenn ein Lobbyverband aus der Anerkennung für Pflegekräfte ein Beliebtheits-Voting mit ganz wenigen Gewinnerinnen und Gewinnern machen will, dann ist das seltsam genug“, sagt Gültaze Aksevi, Vorsitzende der Linksfraktion im Bochumer Rat. „Von der Stadt Bochum und ihrem Oberbürgermeister erwarten wir jedoch, sich nicht auf das Niveau von RTL-Castingshows herabzulassen. Herr Eiskirch sollte sich lieber für faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für alle einsetzen. Aktuell diskutieren die Gremien des Bochumer Rates über die kommunale Pflegeplanung für die kommenden Jahre. Der Vorschlag der Verwaltung enthält bisher überhaupt keine Konzepte, um die Situation für die Beschäftigten insgesamt zu verbessern.“
Gültaze Aksevi weist darauf hin, dass die Stadt mit den SBO Senioreneinrichtungen selbst ein großer Arbeitgeber im Bereich der Pflege ist: „Konkrete Verbesserungen in den städtischen Pflegeeinrichtungen, verbunden mit der unmissverständlichen Forderung an die Bundes- und Landespolitik nach einer bedarfsdeckenden Finanzierung – so könnte die Stadt tatsächlich einen Beitrag zur Überwindung des Pflegenotstands leisten. Deutschland ist im europäischen Vergleich Schlusslicht beim Verhältnis Patient-Pflegekraft in den Krankenhäusern. Das verursacht bei den Beschäftigten krankmachenden Stress und Burnout. Angesichts dessen ist der von Herrn Eiskirch beworbene Beliebtheitswettbewerb einfach zynisch. Er hilft den Betroffenen kein bisschen weiter.“