Stellungnahme: Corona-Soforthilfe kann zur Falle werden

Die „schnell und unbürokratisch“ ausgezahlte Soforthilfe für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen von 9.000 Euro kann sich für diese schnell zu einem Bumerang entwickeln. Darauf weist Ratsmitglied Horst Hohmeier hin. Mit seiner Stellungnahme fordert er den Bund auf, die Förderbedingungen zu ändern. Auch bittet er die Stadt Bochum und die Bochumer Wirtschaftsförderung, diesbezüglich bei den Verantwortlichen in Berlin vorzusprechen.

Horst Hohmeier erklärt:

„Weil seit dem 1. April die sogenannten Entnahmen nicht mehr als förderfähig anerkannt werden, drohen den Betroffenen existenzbedrohende Rückzahlungsforderungen. Die Entnahmen sind sozusagen die Gehälter der Inhaber*innen, mit denen diese ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Ein Beispiel: Eine soloselbstständige Veranstaltungstechnikerin erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 36.000 Euro, also im Durchschnitt 3.000 Euro Umsatz pro Monat. Davon bezahlt sie 400 Euro Miete für ein Lager und einen kleinen Büroraum in einer alten Fabrikhalle, die Leasingraten in Höhe von 200 Euro für einen Sprinter sowie Sprit, Energie- und Heizkosten, Beitrage zu Berufsverbänden und Versicherungen, Telefon und Internet, zusammen 400 Euro. Es verbleiben 2.000 Euro, die als Entnahmen gebucht werden. Von diesen 2.000 Euro bezahlt sie ihre Krankenkassenbeiträge und ihre Altersvorsorge, beides übrigens zu 100 Prozent, also inklusive Arbeitgeberanteil, Miete und Nebenkosten für ihre Wohnung, sowie sonstige Kosten für die Haushaltsführung. Damit verbleiben ungefähr 500 bis 600 Euro für den Lebensunterhalt.

Weil sie in der Corona-Krise keine Aufträge mehr bekommt, beantragt sie eine Soforthilfe von 9.000 Euro. Das Problem: Ausfälle bei den Entnahmen für die persönliche Lebensführung sollen nach der aktuellen Regel nicht durch die Soforthilfe ersetzt werden. Stattdessen wird geraten, beim Jobcenter Grundsicherung nach dem SGB II (Hartz IV) beantragen. Wenn diese Regelung nicht geändert wird, müsste unsere Veranstaltungstechnikerin in diesem Fall etwa 6.000 Euro zurückzahlen. Geld, das sie in gutem Glauben für ihren Lebensunterhalt und zur Existenzsicherung ausgegeben hat.

Statt „schnell und unbürokratisch“ von der Soforthilfe aufgefangen werden, gelangt sie so in die Hartz-IV-Mühle. Wenn ihr Antrag bearbeitet ist, erhält sie den Regelsatz von 432 Euro, und zusätzlich die Kosten der Unterkunft und der Krankenversicherung. Die Kosten für die Altersvorsorge (Rente) entfallen. Auf den ersten Blick bleibt das Einkommen ungefähr wie vorher, aber alles muss neu beantragt werden und sorgt für zusätzlichen Stress und Aufwand. Außerdem: Da sie die Grundsicherung nicht rückwirkend beantragen kann, sondern diese erst ab dem Tag der Antragsstellung bewilligt wird, handelt es sich um eine echte Schuldenfalle, aus der es keinen Ausweg gibt.

Wer sich diesen bürokratischen Unsinn ausgedacht hat, hat entgegen aller Beteuerungen die Lebensentwürfe und die Probleme der Solo-Selbständigen zum Beispiel im Kulturbereich schlicht nicht verstanden. Dies gilt insbesondere für die SPD und ihren Finanzminister. Aber auch für die Kommunen ist diese Abwälzung der Kosten auf die Arbeitsagentur von Nachteil, da diese zunächst auf den Kosten sitzen bleiben und auch nur ein Teil vom Land erstattet wird. Das ist in Zeiten rasant wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen und zusätzlicher Belastungen zur Krisenbewältigung ein völlig falscher Weg.“